materna


(1) Hedwig (Anna Josefine) (seit 1903 Hirsch-Materna) * Graz 4. Aug. 1867 (nicht 1870 bzw. 1871) | † München (?) 1939 (?); Opernsängerin und Autorin

(2) Leopold (Eduard Wenzel) * Graz 26. Aug. 1871 | † Wien 1. Dez. 1948; Bruder von (1), Pianist, Kapellmeister, Komponist


(1) Hedwig Materna, Tochter des Grazer Postbeamten und Telegraphen Wenzel Materna (1826–1898), der sich auch als Musiker (u. a. Spieler des Melophons) einen Namen machte, und Nichte der berühmten Wagner-Sängerin Amalie (1844–1918), erhielt ihren ersten Gesangsunterricht bei Louise Weinlich-Tipka in Graz und setzte ihre Studien bei Ida Fichna in Wien fort, es folgten Tätigkeiten als Konzertsängerin in Graz bzw. Marburg an der Drau (Maribor). Ein in der Presse angekündigtes Engagement nach Leipzig kam offenbar nicht zustande, stattdessen kam Hedwig Materna zu Saison 1896/97 an das Stadttheater Mainz, das zur wichtigsten Station ihrer Bühnenlaufbahn werden sollte. Sie debütierte als Ortrud in Wagners Lohengrin und übernahm im Lauf ihres Mainzer Engagements fast alle wichtigen Wagner-Rollen (Senta, Elisabeth, Venus, Elsa, Ortrud, Fricka, die drei Ring-Brünnhilden und Isolde). Daneben sang sie hier auch Partien wie Gräfin (Mozart, Hochzeit des Figaro), Donna Anna (Mozart, Don Giovanni), Leonore (Beethoven, Fidelio), Valentine (Meyerbeer, Hugenotten), Selica (Meyerbeer, Afrikanerin), Recha (Halevy, Die Jüdin), Norma (Bellini, Norma), Amelia (Verdi, Maskenball), Aida und Amneris (Verdi, Aida), Santuzza (Mascagni, Cavalleria rusticana). Erstaunlich ist diese Bandbreite der Rollen vor allem deshalb, weil sie Partien unterschiedlicher Stimmfächer wie Brünnhilde und Figaro-Gräfin parallel sang. Im Frühjahr 1898 wurde zunächst ihr Abschied von der Mainzer Bühne angekündigt; in der Spielzeit 1899/1900 war sie in Zürich engagiert, sang in Mainz aber weiterhin als Gast. Zur Saison 1900/1901 kehrte sie zurück: Im Dezember 1900 wurde ihre Tochter Ella geboren, 1903 heiratete sie in Mainz den Vater ihres Kindes, den Kunstkritiker und Redakteur der Mainzer Neuesten Nachrichten, Heinrich Hirsch (* Mainz 26. Sept. 1849 als Sohn eines jüdischen Metzgers | † München 3. Aug. 1940), und setzte ihre Bühnenkarriere in Mainz bis 1911 unter ihrem Mädchennamen fort, jenseits der Bühne führte sie den Namen Hirsch-Materna. 1919 lässt sie sich noch in Mainz nachweisen; ihr weiterer Lebensweg liegt im Dunkeln.

Neben ihrer Profession als Sängerin betätigte sie sich auch musikschriftstellerisch: 1903 erschien eine Sammlung von Rollen-Portraits der großen Wagnerschen Frauengestalten, die möglicherweise dadurch motiviert wurde, dass sich Materna darstellerisch vereinzelt von Kritikern falsch verstanden und nicht hinreichend gewürdigt sah (die große Mehrzahl der Rezensionen feierte sie hingegen als Künstlerin). Ihre Schrift wurde überregional wahrgenommen; wenngleich das Thema bereits von anderen Autoren aufgegriffen worden war und sie noch nicht einmal die erste Frau war, die über das Thema schrieb (bereits 1886 hatte die Schriftstellerin und Darmstädter Rezensentin Ella Mensch einen Vortrag mit dem identischen Titel veröffentlicht), zeigte sich die Presse überrascht. Edgar Istel sprach von „bemerkenswerter Selbständigkeit des Urteils“, die hier mit „echt weibliche[m] Empfinden“ kombiniert sei (NZfM 3. Aug. 1904, S. 570). Neu war, dass Materna keine Autorin jenseits der Bühne war, sondern ihre Sicht aus der persönlichen Darstellung der Rollen heraus schriftlich niederlegte.

WerkeRichard Wagners Frauengestalten, Berlin/Leipzig: Verlag der Frauen-Rundschau 1903; A-Wst, D-B, D-Bda, D-Dl, D-DT, D-HAu, D-HVh, D-LEu, D-Mth, D-MZs, D-MZu, GB-Lbl <> Opernlibretto Der Gott und die Bajadere (nach Goethe; 1892), Graz: Wildt (in Kommission) 1892, vertont von Leopold Materna (vgl. Grazer Tagblatt 3. Sept. 1892); verschollen <> „Skizze“ Zugsverspätung, in: Grazer Tagblatt 4. Jan. 1893, S. [1]–2

Quellen — KB Graz (Heilig Blut); Standesamtsregister Mainz <> Briefe (Mainz 1918, 1919); s. Kalliope; weitere Briefe im Nachlass Max Behrend; D-MZsa (NL 33/11) <> Einwohnermeldekarte Heinrich Hirsch, München (freundlicher Hinweis von Frau Angela Stilwell, Stadtarchiv München) <> Kurz-Hinweise in überregionalen Musikzeitschriften ebenso wie in lokalen Tageszeitungen; s. MUGI – weiterhin: Grazer Tagblatt 3. Sept. 1892; Neue Zürcher Zeitung 20. Mai 1898, 22. Jan. 1899, 23. März 1899 (Auftritt in Mainz), 27. Apr. 1900, 22. Juni 1900 und passim; Chronik der Stadt Zürich 23. Sept. 1899; Neue Zürcher Nachrichten 15. Sept. 1900, 19. Sept. 1900 <> C[arlos] Dr[oste], Hedwig Hirsch-Materna, in: Frankfurter Musik- und Theater-Zeitung 8. Jan. 1907, S. 3 <> Edgar Istel, Rezension Materna, Hedwig. Rich. Wagners Frauengestalten. Berlin und Leipzig. Verlag der Frauen-Rundschau, in: NZfM 3. Aug. 1904, S. 570

Literatur — Ursula Kramer, „Ungesund – gesund – kerngesund“. Die Sängerin als Autorin. Hedwig Materna und ihre Interpretation der Wagnerschen Frauengestalten, in: Nicole K. Strohmann/Antje Tumat (Hrsg.), Bühnenrollen und Identitätskonzepte. Karrierestrategien von Künstlerinnen im Theater des 19. Jahrhunderts, Hannover 2016, S. 223–244 <> Jutta Heise, Art. Hedwig Materna, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hrsg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hamburg 2003ff. (Stand 14. März 2023) online <> Kutsch/Riemens <> Barbara Boisits und Christian Fastl, Art. Materna, Familie, in: Oeml (online)

Abbildung: Hedwig Materna (1. Reihe, zweite von links) im Kreis ihrer Mainzer Ensemblekolleginnen und -kollegen der Spielzeit 1896/97 (Aufnahme von Emil Steinbach); D-MZs


(2) Leopold Materna erhielt nach seinem Studium am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (u. a. bei Anton Bruckner) Engagements als Dirigent in Preßburg (1891/92), Marburg an der Drau (1892–1894) und Olmütz (1894/95). Nachdem er einige Jahre ohne Anstellung in Graz verbracht hatte, wurde er 1899 Chordirigent und Kapellmeister am Mainzer Stadttheater und blieb bis 1906 [nicht nur bis 1901] in dieser Position. Anschließend lebte er in Linz und ab 1909 überwiegend in Wien.

WerkeSechs Lieder (Sst., Kl.) op. 2, Berlin: Ries & Erler [1895]; D-B, D-WÜh <> Rêverie (An der Wiege) (Vl., Kl./Orch.), Mainz: Schott [1901]; A-Ws, D-B, D-KNh, GB-Lbl <> Bearbeitung: David-Walzer sowie Hans Sachs und Evchen aus Wagners Die Meistersinger von Nürnberg (Kl.), Mainz: Schott [1901]; A-Wst, GB-Lbl <> Oper Der Gott und die Bajadere (Hedwig Materna nach Goethe; 1892); verschollen

Quellen — Briefe; A-Wn <> Grazer Tagblatt 5. Okt. 1895, 20. Nov. 1895, 30. Mai 1899, 5. Apr. 1902; Tages-Post (Linz) 3. Juni 1906


Ursula Kramer und Axel Beer (2)

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