mahir


MAHIR (verh. SICK), (ANNA) LAURA * München 10. Juli 1803 | † Stuttgart 16. Juli 1880; Pianistin, Klavierlehrerin, Komponistin

Mit insgesamt nur einem kurzen Konzertaufenthalt in Frankfurt/M., wo sie zunächst beabsichtigt hatte, „sich […] als Virtuosin und nebenbei als Lehrerin zu fixiren“ (SchillingE), gehört Laura Mahir zwar eher zur Peripherie unseres Interessensgebietes, soll aber als eine von wenigen im Verlag Dunst vertretenen Komponistinnen nicht unberücksichtigt bleiben.

Sie wuchs als eines von mehreren Kindern des Mathematik- und Physikprofessors Ferdinand Oskar Mahir, der ihnen eine musikalische Ausbildung angedeihen ließ, auf. Dass sie Schülerin Maria Anna Mozarts in Salzburg war (so SchillingE und ihm folgend zahlreiche weitere Lexika), ließ sich bislang nicht belegen, aber zumindest sei darauf hingewiesen, dass ihr Vater nach Anstellungen in Dillingen und Innsbruck etwa von 1811 bis 1816 in Salzburg seiner Lehrtätigkeit nachging. Im Frühjahr 1817 trat Laura Mahir gemeinsam mit ihrem Bruder Eduard in München erstmals öffentlich auf. Mitwirkungen bei weiteren Konzerten folgten, ehe sie Ende 1821 an der Seite ihres Vaters nach Wien reiste, um sich dort weiter ausbilden zu lassen. Der Wiener Presse lassen sich Ende 1822 mehrere wohlwollend besprochene Auftritte entnehmen; Auskunft über ihre Wiener Lehrer (Carl Czerny und Emil Förster sollen sie in Klavierspiel und Komposition unterwiesen haben; vgl. SchillingE) wird darin allerdings nicht erteilt. Aufgrund einer ernsteren Erkrankung musste Anfang 1823 eine geplante Konzertreise nach Pest, Ofen und Prag unterbleiben, sodass sie im März, nach kurzem Aufenthalt in Preßburg, nach München zurückkehrte. In der Folgezeit führte Mahir ihre Konzerttätigkeit fort, wobei sie nun öfter eigene Werke mit auf das Programm setzte und diese teils publizierte. 1824 und im Winter 1826/27 hielt sie sich längere Zeit in Augsburg auf, von wo aus man nach München berichtete: „[…] hätte sie Schiller gehört, so wäre sein Lied: ‚Laura am Clavier,‘ für sie gedichtet worden; denn sie ist in vieler Hinsicht unerreichbar und gewiß kaum von einem der besten jetzt lebenden Clavierspieler übertroffen.“ (Flora 11. März 1827).

Im Oktober 1827 reise Mahir schließlich nach Frankfurt/M. und gab in der Mainmetropole unter Leitung von Nicolaus Baldenecker und unterstützt u. a. durch Joahnn Philipp Faubel und Johannes Just ein Konzert mit Werken Hummels, Kalkbrenners und Moscheles’, das abermals positiv besprochen wurde und einen der Zuhörer (wäre der Beitrag nicht „E. B.“ gezeichnet, so wäre die Zuschreibung an den Akrostichon-Liebhaber Carl Gollmick naheliegend gewesen) zur Verfassung eines literarischen Impromptu inspirierte, das die Namen der drei Komponisten und jenen Mahirs als Akrostichon enthält – die letzten zwei Strophen seien Ihnen nicht vorenthalten:

Leicht dringet in der Meister tiefverschlungene Gedanken
Ahnend nicht nur, fühlend, was sich die Hohen gedacht,
Und wiedergebend das Leben mit herrlicher Pracht
Ruhig die Künstlerin ein, ohn’ kleinliches Schwanken,
Aber mit Seelen entzückender Macht!

Muthig spricht sie, – ein Weib, das Männergeborne
Allgewaltige aus, glänzend trägt sie es vor;
Holde, auch Du bist eine Musen-Erkorne,
In der Töne Reich stehst Du im heiligen Chor,
Ruhm ist Dein Lohn, Dein Ruhm bleibt Dir ewig gewiß.“
(Iris 21. Okt. 1827)

Aufforderungen, ein weiteres Konzert zu geben, kam Mahir nicht nach, was gewisse Zweifel an der eingangs zitierten Absicht, längerfristig in Frankfurt zu bleiben, aufkommen lässt. Am 31. Dez. 1827 unterzeichnete sie einen Vertrag in Stuttgart und war dort fortan als königliche Hofpianistin und Klavierlehrerin der württembergischen Prinzessinnen tätig. Ein im September 1832 zwischen der Hofkapelle und deren Konzertmeister Max Bohrer geschlossener Vertrag über seine weitere Beschäftigung beinhaltet einen Punkt, demzufolge seine Ehefrau Louise Bohrer als Klavierlehrerin angestellt werden solle, sobald der Kontrakt mit Mahir abgelaufen sei, was Anfang 1834 eingetreten sein dürfte. Spätestens jedoch zum Zeitpunkt ihrer Heirat mit dem Steuerkommissar Carl August Sick im Juni 1835 (bereits 1832 hatte sie um Erlaubnis angesucht) schied Mahir aus dem Hofdienst aus und erteilte anschließend privaten Unterricht. Die Ehe wurde Ende 1855 geschieden; seit 1857 taucht Mahir als geschiedene Laura Sick-Mahir in den Stuttgarter Adressbüchern auf. Über eine weitere musikalische Betätigung ist derzeit nichts bekannt – ob es von Relevanz ist, dass sie mehrere Jahre eine Hausnummer entfernt von der Pianofortefabrik Schiedmayer & Söhne in der Stuttgarter Neckarstraße wohnte, kann dementsprechend vorerst nicht bewertet werden. Die in Lexika vielfach begegnende Bezeichnung als „bedeutende“ „Mozartspielerin“ (z. B. Mendel/Reissmann) verwundert angesichts ihrer Konzertprogramme, auf denen zumeist Werke von Zeitgenossen wie Moscheles standen, aber nicht solche Mozarts.

WerkeSieben Variationen mit Einleitung (Kl.), München: Sidler [Falter in Komm. ?] [1820] – vermutl. identisch mit Théme varié (Kl.) op. 1, München: Falter [vor 1823] <> große Sonate (Kl.) (Elisabeth Ludovika von Bayern gew.) [1823]; sollte „auf dem Wege der Subskription“ (Münchener Politische Zeitung 26. Nov. 1823) publiziert werden, weitere Anzeigen fehlen jedoch – ggf. identisch mit jener um in der Berliner Königlichen Hausbibliothek im Manuskript befindlichen Sonate Mahirs (vgl. Thouret, S. 131) <> „eine ihrer neuesten Kompositionen“ (Kl.) (Sophie Friederike von Bayern gew.) [1824]; vgl. Flora 17. Aug. 1824 <> Introduction et Variations sur une Valse Viennoise (Kl.) (Kronprinzessin [bzw. zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits Königin] Therese von Bayern gew.), Augsburg: Gombart [1825/26] <> Fantaisie et variations brillantes sur un theme original (Kl.) (Fürstin Therese Mathilde Amalia von Thurn und Taxis, geb. Herzogin zu Mecklenburg gew.), Kempten: Dannheimer [1826] <> gem. mit Thomas Täglichsbeck, Variations concertantes sur un Air favori (Vl., Kl.) op. 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1826] (auf dem Titel irrtüml. als Laura Madir bezeichnet; die Opuszählung bezieht sich hier wohl auf Täglichsbeck); ehem. D-B <> Rondo pastorale (Kl.) op. 5 (Caroline von Hösslin geb. von Eichthal gew.), Frankfurt: Dunst [1828]; D-B, D-HVfmg (s. Abb.)

Quellen — Kirchen-Register Stuttgart, KB Stuttgart (ev.), Standesamtsregister Stuttgart <> Briefe s. Kalliope (die Datierung des Briefs an Gombart dürfte irrtümlich sein, und korrekt 1828 lauten) <> Kabinettsakten betr. Mahirs Anstellung als Musiklehrerin am Stuttgarter Hof; D-Shsa (Best. E 14 Sign. Bü 48) <> Hoftheater-Personalakte Max Bohrer; D-LUs (Best. E 18 II Sign. Bü 121) <> Adressbücher Stuttgart <> HmL <> Falter Kat. Nr. 33 [1822], Sp. 79 <> Münchener Politische Zeitung 28. März 1817, 1. Nov. 1820, 11. Dez. 1820, 24. Okt. 1821, 29. Apr. 1823, 8. Mai 1823, 26. Nov. 1823, 23. Dez. 1823, 30. Dez. 1825, 27. Febr. 1826, 11. März 1826, 13. März 1826, 20. März 1826, 1. Juni 1826, 15. Febr. 1827; Flora (München) 8. Dez. 1820, 22. Sept. 1821, 18. Okt. 1821, 27. Okt. 1821, 14. Dez. 1822, 21. Dez. 1822, 14. Jan. 1823, 2. März 1823, 11. März 1823, 20. März 1823, 23. März 1823, 25. Apr. 1823, 1. Mai 1823, 9. Mai 1823, 11. Jan. 1824, 27. Jan. 1824, 9. Juni 1824, 4. Juli 1824, 17. Aug. 1824, 17. Sept. 1824, 14. Dez. 1824, 12. März 1826, 3. Nov. 1826, 3. Dez. 1826, 8. Dez. 1826, 11. März 1827, 12. Okt. 1827, 30. Okt. 1827, 10. Jan. 1828; Wochenblatt der Stadt Dillingen 10. Okt. 1821; Wiener AmZ 23. Nov. 1822, 21. Mai 1823; Der Sammler (Wien) 7. Dez. 1822, 23. März 1826; Karlsruher Zeitung 14. Dez. 1822; AmZ 25. Dez. 1822, 22. Jan. 1824, 27. Aug. 1828, 14. Jan. 1829, 25. Juli 1832, 29. Nov. 1837; Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 2. Jan. 1823; Zeitschrift für die elegante Welt 7. Jan. 1823; Morgenblatt für gebildete Stände 28. Febr. 1823; Eos 9. Mai 1823, 19. Dez. 1823, 4. Mai 1825, 23. Jan. 1826, 29. Mai 1826, 3. Nov. 1827; Augsburgische Ordinari-Postzeitung 1. Juni 1824, 16. Okt. 1824, 29. Sept. 1825, 2. Jan. 1826, 25. Okt. 1828; Landshuter Wochenblatt 26. Febr. 1826; Wochenblatt der Königlich Baierischen Stadt Neuburg 8. Apr. 1826, 17. Febr. 1827; Didaskalia (Frankfurt/M.) 5. Okt. 1827, 18. Okt. 1827, 26. Okt. 1827; Zeitung der freien Stadt Frankfurt 18. Okt. 1827; Iris (Frankfurt/M.) 21. Okt. 1827; Tage-Blatt für München 31. Okt. 1827; Der Bayerische Volksfreund 3. Nov. 1827, 18. Apr. 1828; Allgemeine Musikzeitung (Offenbach) 21. Nov. 1827; Schwäbischer Merkur (Stuttgart) 1. Febr. 1828, 26. Febr. 1828, 4. Apr. 1828, 25. Apr. 1828, 26. Juli 1868 (Kurliste der Molkenkuranstalt Deuron); Damen-Zeitung 18. März 1830; Münchener Conversations-Blatt 12. Juli 1831; Der deutsche Horizont (München) 20. Nov. 1832; Allgemeiner Musikalischer Anzeiger (Wien) 27. März 1834; Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 14. Juli 1842; Münchener Propyläen Nr. 7, 1869; Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg 18. Juli 1880 (Todesanzeige), 8. Aug. 1880

Referenzwerke und Literatur — SchillingE; GaßnerU; Bernsdorf; Mendel/Reissmann; PaulH <> Georg Touret, Katalog der Musiksammlung auf der Königlichen Hausbibliothek im Schlosse zu Berlin, Leipzig 1895, S. 131 <> Schneider 1993, S. 354 <> Rheinfurth 1999, hier Nr. 492 (irrt bezüglich der Namenskorrektur zu Madir) <> Anja Herold/Jannis Wichmann, Art. Mahir, (Anna) Laura, verh. Sick, in: Instrumentalistinnen-Lexikon (Sophie Drinker Institut) online <> Annkatrin Babbe/Anja Herold, Art. Bohrer, Familie (Louise, Fanny und Sophie), ebd. online

Abbildung: Titelseite des Rondo pastorale op. 5; D-HVfmg (Rara/FMG NO Mahir,L (405).1) (mit freundlicher Genehmigung)


Kristina Krämer

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