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DOBENECK (geb. FEUERBACH), (REBEKKA) MAGDALENA („HELENE“) VON * München 13. März 1808 | † Treviso 5. Juni 1891; Komponistin, Schriftstellerin

Auch wenn sie insgesamt kaum mehr als ein halbes Jahr ihres Lebens in Frankfurt/M. verbrachte, so spielen doch gleich mehrere von Helene von Dobenecks dortigen Erlebnissen für die musikalischen Aspekte ihrer Biographie eine Rolle. Nach ihrer Frankfurter Tante Rebekka Magdalena Ruland geb. Feuerbach (1780–1849) benannt, wuchs Helene Feuerbach als älteste Tochter und eines von acht Kindern des Juristen Paul Johann Anselm (von) Feuerbach (1775–1833) zunächst in München und seit 1814 in Bamberg auf, wo ihr Vater zum Appellationsgerichtsrat ernannt worden war. Wie ihre Geschwister (darunter der später als Philosoph nicht unbekannte Ludwig F. (1804–1872) und Joseph Anselm F. (1798–1851), Altphilologe und Vater des Malers Anselm F. (1829–1880)) erhielt sie vermutlich privaten Musikunterricht. Im Winter 1829/30 reiste sie, inzwischen seit drei Jahren mit dem Königlichen Kreis- und Stadtgerichtsassessor Ludwig (Friedrich Wilhelm Karl Sigismund) von Dobeneck (1798–1854) verheiratet, von Nürnberg aus zweimal nach Frankfurt/M., um Konzerten Niccolò Paganinis beizuwohnen (vermutlich am 18. Dez. und 7. Febr.). Dieser schrieb am 30. August 1830 an seinen Bekannten Luigi Germi, sie habe sich in ihn verliebt und wolle ihren Ehemann verlassen, um ihn zu heiraten (vgl. Neill, S. 132; Kapp, S. 61f.). Auch wenn Paganini sie Germi gegenüber als gute Sängerin und gebildete Schönheit, die eine gute Frau und Mutter abgeben würde, charakterisierte und zugab, sich heimlich mehrere Tage mit ihr in Ansbach getroffen zu haben, so ging er doch nicht auf das Vorhaben Helene von Dobenecks ein, was für sie nicht ohne psychische Folgen blieb. In der musikwissenschaftlichen Literatur figuriert sie deshalb (wenn überhaupt) lediglich in der Rolle seiner tragischen Geliebten und wurde – auch aufgrund weiterer tiefer Einschnitte in ihrer psychischen Gesundheit – im 20. Jahrhunderts von medizinischer Warte als interessantes Studienobjekt betrachtet, wobei das Interesse auch weiteren Familienmitgliedern mit vergleichbaren Problemen galt.

1831 ließ sich Helene von Dobeneck „infolge der größten Ungleichheit des Geistes und Gemüts, […] mit wechselseitiger Einwilligung“ schließlich scheiden (Anselm Feuerbach an Elise von der Recke, Ansbach 30. Mai 1831, zit. nach Ludwig Feuerbach. Gesammelte Werke, Bd. 12, S. 559 [dort irrtümlich auf 1829 datiert]) und nahm, nachdem sie einige Zeit bei ihrer Familie in Ansbach zugebracht hatte, im Herbst 1831 eine Anstellung als Erzieherin in einer irischen Familie in Paris an. Dies gab ihr Gelegenheit, sich im Klavierspiel bei George Alexander Osborne (1806–1893) und im Gesang bei José Melchor Gomis (1791–1836) weiterbilden zu lassen, und Einblick in musikalische Zirkel zu erhalten, in denen sie etwa mit Friedrich Kalkbrenner und Franz Liszt zusammentraf. Mit Gomis, der ihre ersten Kompositionsversuche förderte, blieb sie in der Folgezeit, während sie im Dienst mehrerer englischer Familien in Paris stand und diese auf Reisen begleitete, in freundschaftlichem Kontakt. Der nächste Aufenthalt in Frankfurt/M., wo ihr Vater im Mai 1833 verstorben war, erfolgte von September 1833 bis Mai 1834. Dort hatte von Dobeneck „die Freude, Herrn Schnyder von Wartensee zu sprechen, jenen geistreichen Componisten, der so wahr und innig die schönen geistlichen Lieder von Novalis in Töne überzutragen verstand“ und „die Güte“ hatte, ihr „auf seiner Glasharmonica einiges vorzuspielen“ (Briefe und Tagebuchblätter […], S. 132). Darüber hinaus nahm er die Widmung ihrer später publizierten Sechs Lieder an; auch erschienen Ende 1834 im Verlag Fischer ihre ersten Kompositionen im Druck.

Von Paris reise sie im Herbst 1834 nach Lausanne, um eine andere englische Familie auf Reisen durch die Provence und Nordfrankreich zu begleiten, wobei sich in ihren Aufzeichnungen nun im Vergleich zu den vorherigen Jahren zunehmend religiöse Schwerpunkte ausmachen lassen, während die Beschreibung musikalischer Erlebnisse in den Hintergrund tritt. 1836 kehrte von Dobeneck nach Nürnberg zu Familienmitgliedern zurück, die sie nach starker Verschlechterung ihrer psychischen Verfassung seit Herbst 1838 schließlich im Sommer 1839 in die Königlich Württembergische Heilanstalt in Winnental einwiesen. Nach ihrer Genesung wandte sie sich zeitweilig der Malerei (zu der in der Familie offenbar eine gewisse Veranlagung bestand; man denke etwa an ihren Neffen), und schließlich vollends der Religion zu, wobei sie 1846 durch den Benediktinermönch Ildephons Müller in Mariastein (Schweiz) „auf ihr dringendes Verlangen, in den Grundlehren der katholischen Religion“ unterrichtet (Müller an Ludwig Feuerbach, 5. Jan. 1866, zit. nach Gesammelte Werke Bd. 21, S. 227) wurde und 1847 konvertierte. Die zweite Hälfte ihres Lebens, über die bislang wenige Details bekannt sind, verbrachte von Dobeneck in Italien, wo sie u. a. Texte Vincenzo Michettonis übersetzte.

WerkeKompositionen: Die Winternacht. Der Blick in die Ferne und Entsagung. 3 Gedichte [von Christoph August Tiedge] (Sst., Kl.), Frankfurt: Fischer [1834] <> Sechs Lieder (Te solo adoro, Abendlied, Das Mondlicht, Harre auf Gott, Jesus, Passionsgesang; Sst., Kl.) (F. X. Schnyder von Wartensee gewidmet) [komponiert 1833/34], als Anhang in: Briefe und Tagebuchblätter […] (s. Schriften) <> Einsamkeit [komp. 1832] und Vertrauen in Gott [komp. 1835] (Sst., Kl.), in: ebd. <> Schriften: Briefe und Tagebuchblätter aus Frankreich, Irland und Italien, mit einem kleinen Anhang von Compositionen und Gedichten, Nürnberg: Joh. Phil. Raw 1843; ehem. D-B, D-BAk, D-BAps, D-ERu, D-F, D-HAu, GB-Lbl – s. a. hier <> Zehntätige Andacht zu dem heiligen Wunder-Mann Franziskus Xaverius S. J. Nach einer der ältesten Ausgaben neu bearbeitet, Altötting: J. Lutzenberger [1878]; D-Mbs (digital) <> Die Weihe des Monats durch Verehrung des heiligen Geistes. Aus dem Italienischen [von Michettoni]. Mit einem Anhange von Maria Magdalena Dobeneck, Einsiedeln: Gebr. Benzinger [1878]; A-KR <> Mein Schutzengel. Gebet- und Andachtsbüchlein zur Verehrung des heil. Schutzengels. Aus dem Italienischen [von Michettoni] bearbeitet von M. M. v. D., Einsiedeln: Gebr. Benzinger [1880]; ehem. D-B (spätere Aufl.)

Quellen und Referenzwerke — KB München (ev.-luth. Hofgemeinde) <> KB Ansbach (St. Gumbertus) <> Briefe (darunter 105 an Ildephons Müller) s. Kalliope <> Patientenakte der Staatliche Heilanstalt Winnental (Best. F 235 II Sign. Bü 486); D-LUs <> Ludwig Feuerbach. Gesammelte Werke, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften durch Werner Schuffenhauer, Berlin 1967–2006 – insb. Bd. 12 (Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbachs Leben und Wirken veröffentlicht von seinem Sohne Ludwig Feuerbach), S. 149f., 559–562; Bd. 17 (Briefwechsel I (1817–1839)), S. 21–23, 121–124, 149–152, 367–369; Bd. 18 (Briefwechsel II (1840–1844)), S. 358f., 365f., 437; Bd. 19 (Briefwechsel III (1845–1852)), S. 322; Bd. 20 (Briefwechsel IV (1853–1861)), S. 184–185, 244–249, 464; Bd. 21 (Briefwechsel V (1862–1868). Nachträge (1828–1861)), S. 227, 229f., 242, 320–323 <> Hermann Uhde-Bernays, Henriette Feuerbach. Ihr Leben in ihren Briefen, Berlin/Wien 1913, hier S. 60–63, 112–118, 121–131 <> Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig) 8. Juli 1843 (Besprechung der Briefe und Tagebuchblätter) <> MMB

Literatur — T. Spoerri, Genie und Krankheit: Eine psychopathologische Untersuchung der Familie Feuerbach (= Bibliotheca psychiatrica et neurologica 92), 1951, insb. S. 76–79 <> Julius Kapp, Niccolò Paganini, 151969, insb. S. 61f., 104–106 <> Eduard Neill, Paganini. Epistolario, Genf 1982 <> Gerhard R. Kaiser, Paris in nichtfiktionalen Werken deutscher Autorinnen um 1848 (Ida Kohl, Fanny Lewald, Sophie Leo …), in: Ders. (Hrsg.), Deutsche Berichterstattung aus Paris. Neue Funde und Tendenzen, Heidelberg 2008, S. 113–150 <> Felix Morgenstern, Of Sentimentalists, Rebels, and the Musically Attuned: Nineteenth-Century German Travel Writing on Ireland, in: New Hibernia Review 25/3 (2021), S. 99–110 <> Sabine Hock/Alfred Kröner, Art. Feuerbach, Anselm (von), in: Frankfurter Personenlexikon (online)


Kristina Krämer

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  • angelegt 2023/11/07 07:41