raven


(1) Ernst Heinz (auch Heinz-Raven, Ernst; eigentl. Heinz, Heinrich Willy Emil Ernst) * Halle/S. 22. Juli 1881 | † verm. Berlin, nicht vor 1942; Sänger, Gesangspädagoge, Filmdrehbuchautor

(2) Louise Anna Maria Alexandrine (gen. „Lille“) Raven-Kraatz (auch Heinz-Raven) geb. Kraatz * Wiesbaden 26. Dez. 1894 | † verm. Berlin, nicht vor 1941; Ehefrau von (1), Dichterin, Illustratorin, Komponistin


(1) Raven war Sohn des Kaufmanns Friedrich Hermann Heinz in Halle und absolvierte zunächst eine Maschinenschlosserlehre. Es ist nicht auszuschließen, dass er den Unterricht des am dortigen Opernhaus tätigen Sängers und Regisseurs Theo Raven (ca. 1862–1923) genoss, dessen Namen er alsbald annahm. 1907–1909 hatte er ein Engagement als Hofopernsänger in Darmstadt inne; seinem ersten Auftritt in Wiesbaden im Mai 1909 (ein „historischer Liederabend“; am Klavier begleitete Ugo Afferni) folgte eine Anstellung am königlichen Hoftheater in Kassel, die, wohl mit Unterbrechungen, bis 1912 andauerte. Im selben Jahr übersiedelte Raven nach Wiesbaden und übernahm nicht nur die Leitung des Männergesangvereins in Erbenheim (seit 1928 Stadtteil von Wiesbaden), sondern eröffnete im dortigen Villenviertel ein Institut für Stimmkultur und Stimmhygiene mit angeschlossenem Laboratorium auf der Basis seiner stimmphysiologischen (und von einem Mediziner unterstützten) Forschungen zum „Sperrprinzip“ (s. Werke). Unter der Bezeichnung Meister-Schule verlegte Raven seine Lehranstalt im Spätsommer 1919 nach Wiesbaden, wo er sich zwischenzeitlich des Öfteren als Sänger hatte hören lassen, und erweiterte sie „mit Rücksicht auf die stetig zunehmende Schülerzahl“ (Wiesbadener Neueste Nachrichten 1. Sept. 1919): Angeboten wurde eine „vollständige Ausbildung für Oper, Operette, Schauspiel, Film und Heimkunst“ sowie auch Unterricht u. a. im Violoncellospiel durch Oskar Brückner (Wiesbadener Tagblatt 5. Aug. 1919). Die zunehmende Konzentration auf „Unterricht für die Lichtspielbühne (Filmmusik)“ (Wiesbadener Bade-Blatt 20. Jan. 1920) erbrachte wohl nicht den gewünschten Erfolg, so dass Raven sich erneut umorientierte. Unmittelbar nach seiner später patentierten Erfindung einer „Vorrichtung zum Beschränken von Filmbränden an Kinematographen“ (Wiesbadener Neueste Nachrichten 5. Juni 1920) gründete er in Wiesbaden eine Kino-Technische Anstalt und in Darmstadt die Iris-Filmgesellschaft, der er mit seiner Frau als Geschäftsführer von 1921 bis 1924 vorstand. Als Sänger trat er nur noch selten (1926 aus Anlass des 70. Geburtstags von Karl Schauss, 1922–1929 gemeinsam mit seiner Frau (s. u.) bei sehr individuell geformten „Raven-Abenden“, bei denen Werner Wemheuer als Klavierbegleiter fungierte) in Erscheinung und kehrte schließlich der Region den Rücken; 1936 – in diesem Jahr oder kurz zuvor ließ sich das Ehepaar in Berlin nieder – war er Drehbuchautor des Dokumentarfilms Im Trommelfeuer der Westfront und 1939 federführend beteiligt am Agfa-Film 100 Jahre Photographie 1839–1939. Die Berliner Adressbücher nennen ihn noch 1943 als Schriftsteller.

Übrigens bleibt Manches rätselhaft – die Tatsache etwa, dass Raven 1913 einen Brief Richard Wagners im Schaufenster des Wiesbadener Musikhauses →Schellenberg ausstellen ließ, der ihm „anlässlich seiner Mitwirkung bei einer von Herrn Siegfried Wagner geleiteten Festaufführung im Jahre 1910 von einem Gönner verehrt worden ist“ (Wiesbadener Bade-Blatt 21. Febr. 1913), sowie die weitere Tatsache, dass er im April 1921 – notabene war er bekennender Auto-Narr – sein „Adler-Automobil“ für 35.000 Mark zum Verkauf anbot (Wiesbadener Neueste Nachrichten 20. Apr. 1921). Gleichgültig, welche Schlüsse man ziehen mag – auf jeden Fall lohnt sich die Lektüre der an autobiographischen Details reichen Bocksprünge (s. Werke); dies nicht nur im Blick auf Raven (und seine Gattin Lille) selbst, sondern auch hinsichtlich dessen, was Künstlerinnen und Künstlern seinerzeit alles widerfahren konnte.

WerkeDas Sperrprinzip. Seine Anwendung zwecks Schaffung von Stimmaterial [nicht: Stirnmaterial] und Erziehung menschlicher Stimme zu Leistungsfähigkeit und Schönheit, Darmstadt: Schroth 1912 sowie 2. erw. Aufl. ebd.; A-Wn, D-B, D-LEnb – Rezension: Wiesbadener General-Anzeiger 31. Jan. 1913 <> Bocksprünge. Sechs heitere Künstlergeschichten (mit einer Umschlagillustration von Lille Raven; s. Abb.), Berlin: Mölich [ca. 1940]; D-Kbeer <> Filmdrehbücher


(2) Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Stephanie (geb. Wehner; ca. 1881–1917; Eheschließung in Darmstadt am 17. Apr. 1909) heiratete Raven am 14. Juni 1919 in Wiesbaden „Lille“ Kraatz, die „väterlicher- und mütterlicherseits mit Theater- und Dichtkunst wohl vertraut“ war (Wiesbadener Tagblatt 18. Dez. 1922 – ihr Vater war der Bühnendichter Curt Kraatz (1856–1924; er schrieb Libretti u. a. für Jean Gilbert, Walter Kollo und Paul Lincke), ihre Mutter die aus Schwerin stammende Hofschauspielerstochter Adolfine Rossi (1855–1931)). Ihre vielseitige Begabung konnte sie etwa bei einem gemeinsam mit ihrem Mann veranstalteten Vortragsabend zeigen, der ihr Gelegenheit bot, ihre „für einen Konzertsaal vielleicht zu pikant[en]“ erotischen Dichtungen mit „lebhaftem Geberdenspiel“ vorzutragen (Wiesbadener Neueste Nachrichten 19. Dez. 1922), weiterhin anlässlich einer Konzertreise „im Interesse des Rheines und des Weines durch eine Reihe größerer Städte“ des Jahres 1929, bei der sie als „wohl einzige rheinische Dichterin, die ihre Gedichte selbst vertont“, auftrat (Rheingauer Weinzeitung 25. Aug. 1929), sowie als Illustratorin sowohl für Veröffentlichungen ihres Mannes als auch für eigene Texte. Bemerkenswert ist, dass sie in den Jahren 1929 bis 1932 selbständig (als Schriftstellerin) in den Wiesbadener Adressbüchern figuriert.

Werke — Lieder auf eigene Texte (Sst., Kl.) Heiliger Rhein sowie In Eltville am Rhein blüh’n Rosen und Wein, Wiesbaden: Selbstverlag [ca. 1925] – in Bearbeitung für Salonorch. Mainz: Marxen [1928]; D-B <> weitere Lieder (genannt in der Rheingauer Weinzeitung 25. Aug. 1929) blieben wohl ungedruckt <> Erotische Sonette & Bilder, Karlsruhe: Manias [ca. 1925]; D-Kbeer <> Gedichte als Einblattdrucke und innerhalb unterschiedlicher Veröffentlichungen (noch nicht einzeln erfasst); handschriftliche Gedichtbände (1936–1941) befanden sich 2006 im Handel (Auktionshaus Kiefer, Pforzheim) <> Illustrationen zu Die Kleidung im Wandel der Jahrtausende, Berlin 1933; Umschlagillustration zu Ravens Bocksprünge (s. o. sowie Abb.)


Quellen (zu (1) und (2)) — Standesamtsregister Wiesbaden <> Adressbücher Berlin, Darmstadt, Kassel, Wiesbaden <> Neuer Theater-Almanach 1908 <> Akte Iris-Filmgesellschaft Heinz-Raven & Co. oHG; D-DSsa (Best. G 28 Nr. R 1223) <> Akten betr. Schuldforderungen gegen Raven (1910, 1911–1913); D-MGs (Best. 263 Nr. 1743 bzw. 3377) <> L. G., Ein Institut für Stimmkultur und Stimmhygiene, in: Wiesbadener Bade-Blatt 4. Jan. 1914 <> er., Eine neue deutsche Erfindung, in: Wiesbadener Neueste Nachrichten 5. Juni 1920 <> O[tto] D[orn], Aus Kunst und Leben, in: Wiesbadener Tagblatt 18. Dez. 1922 <> Der Humorist (Wien) 22. Febr. 1907; Wiesbadener Bade-Blatt 2. Mai 1909, 19. Okt. 1909, 21. Febr. 1913, 8. März 1913, 1. Mai 1913, 1. Aug. 1919, 9. Sept. 1919, 20. Jan. 1920, 19. Dez. 1922, 14. Dez.1926, 30. Aug. 1928 und passim; Wiesbadener Tagblatt 7. Mai 1909, 5. Aug. 1919, 18. Dez. 1922, 6. Sept. 1926 und passim; Wiesbadener General-Anzeiger 25. Juli 1912, 31. Jan. 1913; Wiesbadener Neueste Nachrichten 13. Sept. 1913, 1. Sept. 1919, 20. Apr. 1921, 19. Dez. 1922 und passim; Erbenheimer Zeitung 3. Febr. 1914, 23. Apr. 1914, 23. Mai 1914; Wiesbadener Zeitung 6. Febr. 1914, 13. Aug. 1920 und passim; Rheinische Volkszeitung (Wiesbaden) 28. Apr. 1914, 21. Juli 1920; Photographische Korrespondenz (Wien) Nr. 718, 1920, S. 210; Rheingauer Weinzeitung (Oestrich) 9. Sept. 1928, 25. Aug. 1929; Österreichische Film-Zeitung (Wien) 27. März 1936 <> MMB

Abbildung 1: Raven in seinem Laboratorium (Wiesbadener Bade-Blatt 4. Jan. 1914)

Abbildung 2: Von Lille Raven gestaltete Titelillustration der Bocksprünge ihres Mannes; D-Kbeer


Axel Beer

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Website stimmen Sie dem Speichern von Cookies auf Ihrem Computer zu. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzbestimmungen gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
  • raven.txt
  • Zuletzt geändert: 2023/07/25 00:35
  • von kk
  • angelegt 2021/07/06 13:04