pohl


(1) Ferdinand * Nordböhmen ca. 1780 | † Darmstadt 25. Juni 1869; Harmonikaspieler, Hofmusiker, Bibliothekar, Vater von (2)

(2) Carl Ferdinand * Darmstadt 6. Sept. 1819 | † Wien 28. Apr. 1887; Musikschriftsteller, Sohn von (1)


(1) Pohls Vater Ferdinand (nicht Franz; * Kreibitz (Nordböhmen, heute Chřibiská, Tschechien) 2. Juni 1748 | † ebd. 4. Dez. 1809), seines Zeichens Tischlermeister, eignete sich bemerkenswerte Fähigkeiten im Bauen von Glasharmonikas an, die er auch gewerblich vertrieb. Ob er es war oder sein Sohn, der 1804 in Wien für seine Instrumente warb, muss derzeit offenbleiben. Jedenfalls ging Ferdinand Pohl junior als Harmonikavirtuose auf Reisen: Im Mai 1805 befand er sich auf dem Weg übers Baltikum nach Moskau, spielte Ende 1809 in München und ließ sich, zum königlichen Kammermusikus ernannt, 1810 in Berlin nieder, wo er an zahlreichen Konzerten als Solist beteiligt war. Hier schloss Pohl auch die Ehe mit (Franziska) Caroline (* Braunschweig ca. 1785 | † Darmstadt 13. Nov. 1834), einer Tochter des Komponisten Anton Franz Beczwarzowsky. Im März 1817 bereiste er die Schweiz und gelangte schließlich, gemeinsam mit seiner Frau aus Italien kommend, im September des Jahres nach Darmstadt, wo sein Name nicht unbekannt war: Schon 1814 hatte Großherzog Ludwig I. sich ein Instrument von Pohl bauen und zusenden lassen. Die Ernennung zum Großherzoglichen Kammermusikus erfolgte im Mai 1818, und wenig später wurde Pohl zusätzlich mit der Leitung der Musikbibliothek und der zugehörigen Schreibstube beauftragt; offenbar bestand auch eine Option auf die Nachfolge des mit der Familie befreundeten Kapellmeisters Karl Jakob Wagner. Eine sich vermutlich schon 1821 zeigende psychische Erkrankung (heute würde man wohl von einer in Phasen verlaufenden paranoiden Schizophrenie sprechen) führte bereits wenig später zur Aufgabe der Tätigkeiten; die 1827 erfolgten Untersuchungen hatten u. a. die Übernahme der Vormundschaft seines Sohnes Carl Ferdinand (2) durch den Kammersänger und Chordirektor Gustav Hähnle zur Folge. Die Briefe Caroline Pohls aus den Jahren ab 1822 an Schott in Mainz sind ebenso wie die umfangreichen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen, die Ferdinand Pohl im September 1829 niederschrieb, ein erschütterndes Zeugnis für die geistige Verwirrung, unter der der Musiker mitsamt seiner Familie litt. Über den weiteren Lebensweg Pohls – immerhin fast 40 Jahre – liegen bislang keine Quellen vor.

Werke — Von den seit 1809 in der Presse und noch bei Ledebur zumeist summarisch genannten Kompositionen für Glasharmonika ist nichts überliefert.

Quellen und Referenzwerke — KB Kreibitz und Darmstadt <> Personalakte in D-DSsa (Best. D 12 Nr. 25/29) sowie Dokumente zum Besoldungs- und Dienstverhältnis Pohls ebd. (Best. D 8, Nr. 24/9) <> Briefe Ferdinand Pohls an Schott (20, 1819 und 1820); D-B (s. Kalliope), D-Mbs – Briefe Caroline Pohls an Schott (14, 1822 und 1824); D-B (s. Kalliope) <> Wiener Zeitung 25. Juli 1804; Rigaische Zeitung 6. Mai 1805; Morgenblatt für gebildete Stände 24. Jan. 1809; AmZ 4. Apr. 1810, 27. Juli 1810, 5. Dez. 1810, 13. Sept. 1815, 5. März 1823, 29. Nov. 1826 und passim; Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 12. Jan. 1812, 18. März 1813, 15. Aug. 1814, 18. Jan. 1816 und passim; Darmstädter Tagblatt 22. Sept. 1817 <> freundliche Auskünfte in Sachen medizinischer Diagnostik von Herrn Prof. Dr. Dr. Hans Huchzermeyer (Minden).


(2) Carl Ferdinand Pohl, der heute vor allem als Biograph Joseph Haydns bekannt ist, wird zwar von beiden Elternteilen mit musikalischen Anlagen ausgestattet gewesen sein, gleichzeitig aber, obwohl sein Taufpate Johann Christian Heinrich Rinck sich mutmaßlich seiner annahm, aufgrund der familiären Verhältnisse in Darmstadt keine unbeschwerte Kindheit und Jugend durchlebt haben. Er erlernte den Beruf des Kupferstechers, folgte aber bereits 1841 seinen musikalischen Neigungen: In Wien wurde er Schüler Simon Sechters, arbeitete als Musiklehrer und Organist und übernahm 1866 die Aufgabe des Archivars der Gesellschaft der Musikfreunde.

Werke (Auswahl; vgl. Unverricht in NDB) — Kompositionen: 12 Präludien und 1 Postludium (Org.; Rinck gewidmet) op. 1, Mainz: Schott [1846]; D-F, D-Mbs (digital) <> weitere Werke (Lieder, Klavierstücke) erschienen bis 1859 in Wien <> Schriften: Zur Geschichte der Glas-Harmonika, Wien 1862 (digital; bietet Einblicke in die frühe Geschichte seiner Familie) <> Joseph Haydn, 3 Bde. (Bd. 3 vollendet von Hugo Botstiber), Berlin 1875, Leipzig 1882 und 1927

Literatur — Ledebur <> Eusebius Mandyczewski, Art. Pohl, Karl Ferdinand, in: ADB (online) <> Hubert Unverricht, Art. Pohl, Anton Carl Ferdinand, in: NDB (online) <> SL (Hubert Unverricht), Art. Pohl in: MGG2P

Abbildung: Titel des Opus primum von Carl Ferdinand Pohl; D-Mbs


Axel Beer

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