pessenlehner


PESSENLEHNER, ROBERT * Alland (Niederösterreich) 16. Mai 1899 | † Bad Hersfeld 27. Okt. 1985; Musikwissenschaftler

Der Lehrerssohn Robert Pessenlehner erhielt als Sängerknabe des Zisterzienserstifts Heiligenkreuz bei Wien seine musikalische Grundausbildung. Nach Abitur und Kriegsdienst nahm er sein Studium am Salzburger Mozarteum auf, nach dessen Abschluss er an gleicher Stelle kurzzeitig als Opernkapellmeister fungierte. Bereits 1921 berief ihn Landgraf →Alexander Friedrich von Hessen zum persönlichen Assistenten, eine Position, die er bis zum Tod des erblindeten Komponisten (1945) innehatte. Zudem studierte Pessenlehner seit 1924 in Frankfurt Musikwissenschaft und wurde 1932 mit einer von Moritz Bauer betreuten Dissertation promoviert. Neben Albert Richard Mohr arbeitete er anschließend als Assistent bzw. Lehrstuhlvertreter am musikwissenschaftlichen Institut und leitete weiterhin den von ihm 1925 begründeten Universitätschor. 1933 wurde Pessenlehner aus seinen öffentlichen Ämtern verdrängt und fand im Anschluss als Ordinarius für Musik und Musikpflege im (freilich alsbald gleichgeschalteten) Bund für Volksbildung ein weiteres Betätigungsfeld. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er in Lüneburg ein Symphonie-Orchester, das er bis 1953 leitete; der in diesem Jahr an ihn ergangene Auftrag seitens des Landgrafen Philipp von Hessen, die in Schloss Fasanerie (Adolphseck bei Eichenzell) verwahrten Archivbestände zu ordnen, führte Pessenlehner nach Fulda, wo er neben Tätigkeiten als Chorleiter und privater Musiklehrer 1958 die Leitung des Stadtarchivs übernahm und bis 1974 innehatte.

Mit dem bloßen Verweis darauf, dass Pessenlehner 1937 Mitglied der NSDAP wurde, ist es im Blick auf seine Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus nicht getan. Er war Schüler eines jüdischen Universitätslehrers und schrieb seine Doktorarbeit über einen jüdischen Komponisten, dem er selbst in seinem – gleichwohl geradezu obsessiv chauvinistischen und in etlichen Punkten nichts weniger als abstrusen – Buch Vom Wesen der Deutschen Musik (1937) weit über den Rahmen der „politisch korrekten“ Deutungsmuster hinaus versuchte, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen (S. 162). Dies sowie auch die Kritik an gesellschaftlich-musikpolitischen Strukturen brachten ihm – neben anderen Tabubrüchen – einen wütenden Verriss von Wolfgang Boetticher ein, einem der glühendsten Protagonisten der nationalsozialistischen Musikideologie.

WerkeBücher: Herrmann Hirschbach. Der Kritiker und Künstler. Ein Beitrag zur Geschichte des Schumannkreises und der musikalischen Kritik in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, Regensburg: Bosse 1932 [recte 1933] (Dissertation; Widmung (postum) an Moritz Bauer) <> Vom Wesen der Deutschen Musik, ebd. 1937 (Widmung an Landgraf Friedrich Karl von Hessen) – Rezension von Wolfgang Boetticher in: Die Musik März 1938, S. 399–404 <> Aufsätze (Auswahl): Dr. phil. h.c. Alexander Friedrich von Hessen zum 70. Geburtstag, in: Zeitschrift für Musik Febr. 1933, S. 149–150 <> Die Museumsgesellschaft in Frankfurt und die großen Meister der Musik, ebd. Jan. 1934, S. 32–36 <> Alexander Friedrich von Hessen. Zum 75. Geburtstag am 25. Januar, ebd. Jan. 1937, S. 64–65 <> Humor in der Musik. Eine Ausstellung in Frankfurt am Main, ebd. Febr. 1937, S. 109–114 <> Generalmarsch gegen die Kritik, ebd. März 1937, S. 263–273 <> Alexander Friedrich von Hessen. Zum 80. Geburtstag, ebd. Febr. 1943, S. 53–55 <> Arrangements von Werken Alexander Friedrich von Hessen (s. d.)

Quellen — KB Alland <> Zeitschrift für Musik Apr. 1927, S. 448; Mai 1933, S. 383

Literatur — Otto Berge, Dr. Robert Pessenlehner zum 75. Geburtstag, in: Fuldaer Geschichtsblätter 50 (1974), S. 82–85 <> Ludwig Müller, Dr. Robert Pessenlehner zum 85. Geburtstag, in: Fuldaer Geschichtsblätter 60 (1984), S. 1–2 <> Ralph Philipp Ziegler, Alexander Friedrich Landgraf von Hessen (1863–1945). Leben und Werke eines Komponisten zwischen Romantik und Moderne, Kassel 2001, bes. S. 166–167 und 188–189 <> MüllerDML, KürschnerDMK, PriebergH

Abbildung: Robert Pessenlehner, Foto in Vom Wesen der Deutschen Musik (Frontispiz); D-Kbeer


Axel Beer

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