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MEYER, OSCAR * Hannover 18. Febr. 1865 | † Wiesbaden 22. Okt. 1921 (nicht 1935); Pianist, Komponist

Über die frühen Jahre Meyers, Sohn des Hannoveraner Kaufmanns Moritz Gerson Meyer (* Hannover 21. Aug. 1822 | † 1879) und dessen Ehefrau Maria Bettina geb. Katzenstein (* Frankfurt/M. 30. Nov. 1840 | † Wiesbaden 14. Mai 1910) geben lediglich die Lebenserinnerungen seines Bruders Robert Auskunft (s. Quellen). In wohlhabendem und musikaffinem Umfeld aufgewachsen, wurden Oscar und seine Geschwister (s. u.) durch Privatlehrer wie den Violinisten Henri Petri ausgebildet. Während seine Mitwirkung bei Konzerten des Schulorchesters geschätzt wurde, ließen die übrigen schulischen Leistungen zu wünschen übrig. Auf Insistieren der Eltern schlug Meyer zunächst eine kaufmännische Laufbahn ein, anstatt sich der Musik zu widmen. Nach Stationen als Handelsmann in Hamburg und London, gelangte er jedoch in Kontakt mit Musikern und stand seit spätestens 1887 als Pianist auf englischen Bühnen.

Zu Beginn der 1890er Jahre war Meyer in Leipzig tätig, wo er 1893 „in einer Abendgesellschaft bei einem gemeinsamen Freunde“ Edvard Grieg kennenlernte (Edvard Grieg, wie ich ihn kannte, s. Schriften). Bei jenem Freund handelte es sich um Max Abraham (C. F. Peters), der Werke beider verlegte. Bereits im März 1894 begleitete Meyer Grieg nach München und anschließend nach London, um dessen Klavierkonzert aufzuführen. Meyer ließ sich im gleichen Jahr in London nieder und begann einen persönlichen Briefwechsel mit Grieg, der ihn stets (auch gegenüber Abraham) scherzhaft als „Hofpianisten“ bezeichnete. Es folgten weitere Konzerte in London und bei den Music Festivals in Cardiff (1896) und Hereford (1897), wobei er als Interpret des Grieg’schen Klavierkonzerts wie auch als Klavierbegleiter fremder und eigener Werke (s. englische Versionen seiner Lieder) auftrat. Daneben betätigte er sich als Klavierlehrer mit dem Prädikat „especially recommended by Grieg“ (Musical Courier 22. Juni 1895), für den er 1898 dessen Liederzyklus Haugtussa op. 67 ins Englische übersetzte.

1897 schloss Meyer in Frankfurt/M. die Ehe mit Erna Katzenstein (* Frankfurt/M. 23. Okt. 1877), nachdem er zuvor auf Wunsch des Schwiegervaters Albert Katzenstein (Privatier) zum Protestantismus konvertiert war. Der Lebensmittelpunkt des Paares blieb zunächst London; ihre erste Tochter Hildegard Adele wurde im Juni 1900 in Folkestone getauft. Am 9. Okt. 1901 schrieb der „getreue Hofpianist“ aus dem Wiesbadener Hotel Royal an Grieg: „Wir nehmen hier am Park in ruhiger, prachtvoller Lage eine Villa und richten ein schönes Fremdenzimmer mit Clavier für Sie & Ihre liebe Frau ein. Denn über Wiesbaden reisen Sie ja oft & da müssen Sie wohl oder übel unsere Gäste sein. Bedenken Sie, ich habe ‚Chateau Lafite‘, den Sie in Mentone mit Vorliebe tranken, & sogar viel bessere Weine! Kann Sie das nicht verlocken? Sie könnten bei der Gelegenheit Pathe bei unserem Sohne ‚Edvard‘ stehen, da der König von England dazu verhindert ist.“ Aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten blieb der Besuch Griegs aus; auch die Namenspatenschaft kam nicht zustande, da das zweite Kind ebenfalls eine Tochter wurde (Ilse, * Wiesbaden 14. April 1902). Während seiner Wiesbadener Zeit, die von einigen Reisen (z. B. 1903 Wien, München und England; 1905 St. Moritz) unterbrochen wurde, gelangten zahlreiche seiner Werke zur Aufführung – u. a. Das Gewitter 1909 unter Leitung Ugo Affernis und 1910 sein Capriccio durch Selmar Victor. Gemeinsam mit Letzterem sowie der Sängerin Elsa Rehkopf-Westendorf trat Meyer gelegentlich, nicht selten zu wohltätigen Zwecken, auf. Eines der letzten Konzerte, bei dem er als Solist mitwirkte, dürfte ein Sinfoniekonzert in Bad Kreuznach im August 1915 gewesen sein, bei dem er neben seinem Gewitter erneut Griegs Klavierkonzert zu Gehör brachte.

Von den vier Geschwistern Arthur (ca. 1861–1883), Ella (1862–1937), Robert (1864–1947) und Alma (1868–1936) sind in musikalischer Hinsicht insbesondere die letzten beiden erwähnenswert: Robert Meyer war neben seiner Karriere als Mediziner immer wieder auch praktisch musikalisch tätig. So organisierte und dirigierte er während seiner Zeit als Militärarzt im Ersten Weltkrieg in Brüssel Konzerte für das dortige Krankenhauspersonal. Die Schwester Alma war seit 1885 mit dem HNO-Arzt und Sänger Wilhelm Bottermund (1858–1938) verheiratet, der u. a. Die Singstimme und ihre krankhaften Störungen (1896) und Die Gesundheitspflege der Stimme, des Gesanges und der Sprache (1904) veröffentlichte. 1905 ist sie, inzwischen geschieden, als „Witwe“ und Pianistin, 1921 als Klavierlehrerin im Frankfurter Adressbuch verzeichnet. Ihr Sohn, der Cellist Hans Bottermund (1892–1949), erhielt seine musikalische Ausbildung am Hoch’schen Konservatorium (1903–1908) und kehrte gegen 1925 kurzzeitig als Lehrer dorthin zurück.

WerkeLieder (Sst, Kl.), teilweise auch englische Versionen: Willkommen und Abschied op. 1, Frankfurt: Firnberg [1903] – in der Reihe Lieder als Nr. 6, s. u. <> Vier Lieder op. 2, Leipzig: Peters [1891]; GB-Lam – Übernahme durch Firnberg [1903], Nr. 1–4 <> Vier Lieder op. 4, ebd. [1894]; GB-Lam (Nr. 3) – Übernahme durch Firnberg [1903], Nr. 7–10 <> Wunsch op. 8, Frankfurt: Firnberg [1896] – Nr. 11 <> Fahr’ wohl op. 9, ebd. [1896] – Nr. 12 <> Four songs (Before the dawn, Thou art so like a flower, Once more only, Flow gentily sweet afton) op. 10, London: Ascherberg & Co. [1895]; CH-Zz, D-B – später Nr. 32, 33 <> Glück op. 11, Frankfurt: Firnberg [1896]; D-B D-SWl – Nr. 13 <> Zehn Lieder op. 20, ebd. [1900/01] – Nr. 14–23 <> Drei Lieder op. 21, ebd. [1902]; D-B – Nr. 24–26

Lieder als Reihe Lieder von Oscar Meyer (Übernahmen der Peters- und Ascherberg-Ausgaben sowie eigene Verlagswerke Firnbergs als Einzelausgaben, zum Teil für verschiedene Stimmlagen): Nr. 1 Am fernen Horizonte (On the water) <> Nr. 2 Ich kenn’ ein Mädchen (I know a maiden) <> Nr. 3 Warum kleidet sich der Hain (May-tide) <> Nr. 4 Sehnsucht (Longing); D-B <> Nr. 5 Zauberlied, [1903]; D-B <> Nr. 6 Willkommen und Abschied (Welcome and Farewell) <> Nr. 7 Siehst du das Meer (Look on the sea) <> Nr. 8 In den Wald (To the woods) <> Nr. 9 Es liebt ein Knab’ ein Mägdelein <> Nr. 10 Ach, wärst du mein; D-B <> Nr. 11 Wunsch (Wish) <> Nr. 12 Fahr’ wohl; D-B <> Nr. 13a–b Glück, [1901]; D-B (hohe Ausg.), D-BUDbierwisch (mittlere Ausg., s. Abb. 2), Privatbesitz (IMSLP, hohe Ausg.) <> Nr. 14 Ein kleines Lied (A little song) <> Nr. 15 Bettlerliebe <> Nr. 16 Unbegehrt <> Nr. 17 In der Ferne <> Nr. 18 Mein Lieb’, nun muss geschieden sein <> Nr. 19 Einst <> Nr. 20 Abschied <> Nr. 21 Frühling <> Nr. 22 Das Ringlein sprang entzwei; D-B <> Nr. 23 Ein Vöglein singt im Wald <> Nr. 24 Morgenlied <> Nr. 25 Versunken <> Nr. 26 Hinaus, ihr Träume; D-B <> Nr. 27 Die Rose und der Thautropfen (The rose and the dewdrop); D-B <> Nr. 28 Einst und jetzt (Once and now); D-B <> Nr. 29 Liebesgrüsse, [1903]; D-B <> Nr. 30 Jubelkunde, [1904]; D-B <> Nr. 31a–b Dein, [1904]; D-B (hohe und tiefe Ausg.) <> Nr. 32a–b Vor Sonnenaufgang, [1904]; D-B (hohe und tiefe Ausg.) <> Nr. 33 Nur einmal noch, [1905]; D-B <> Nr. 34 Vergiss, [1913]; D-B <> Das Gewitter: „Urahne, Grossmutter, Mutter und Kind“. Lebensbild (Sst., Kl.), Frankfurt/M: Firnberg sowie Berlin: Bote&Bock [1909]; D-B – dass. (Sst., Orch., obl. Kl., Org.), Berlin: Bote&Bock [1909]; D-B

Instrumentalwerke: Symphonie mit dem Paukenschlag, vermutlich Fragment geblieben, s. Brief an Grieg vom 5. März 1895 <> Concert-Etüde (Kl.), Frankfurt: Firnberg [1904]; D-B <> Capriccio (Vl., Kl.), Wiesbaden: Schellenberg [1910]; D-B <> Rätsel-Polka (Kl.), in: ZfM 3. Dez. 1921 <> Zuschreibung zweifelhaft (möglicherweise dem gleichnamigen Bad Aiblinger Kurkapellmeister zuzuordnen): Turnerbund-Marsch (Kl.), Bayreuth: Giessel jun. [1894] – auch arr. für Zither oder Vl. <> Fighting through to Victory (Durch Kampf zum Sieg. Marsch) (Cornett, Blasorch.), London: Hawkes & Son, [1901]; GB-Lbl <> Im Strome der Zeit. Marsch (Orch.) op. 15, Spandau: Schroeder [1912]

Schriften: Grieg Letters to Oscar Meyer. Edited for The Musical Courier by Oscar Meyer [17, 1894–1907], in: Musical Courier (New York) 22. Apr. 1908 – eine deutsche Fassung als Briefe Edvard Grieg’s an Oscar Meyer, in: Die Musik (Berlin), Jg. 8, Heft 12 (März 1909), S. 330–341; einige der Gegenbriefe (18, 1895–1906) befinden sich heute in N-Bo <> Edvard Grieg, wie ich ihn kannte, in: Neue Musik-Zeitung Heft 23, 1910, S. 478–480 <> Kriegs-Sinfonie (Gedicht), in: Wiesbadener Tagblatt 22. Nov. 1914 – vertont (Orch.) durch den Kreuznacher Kurkapellmeister Alfred Kühnlein (UA Kreuznach 15. Aug. 1915); s. Wiesbadener Tagblatt 4. Aug. 1915

Quellen und Referenzwerke — Standesamtsregister Frankfurt, Wiesbaden <> Adressbücher Wiesbaden und Frankfurt <> Korrespondenz mit Grieg (s. Schriften); Brief an C. F. Peters (1912) in D-LEsta, Bestand Musikverlag C. F. Peters <> MMB <> zahlreiche Nennungen in der britischen Presse – u. a. Hampstead & Highgate Express 24. Dez. 1887; The Era 13. Apr. 1889; Westminster Gazette 15. Mai 1894; Musical Courier 22. Juni 1895; Southwales Daily News 17. Febr. 1896; The Musical Standard 17. März 1900; Musical News 28. Apr. 1900 <> Wiesbadener General-Anzeiger 2. Okt. 1904; Wiesbadener Tagblatt 28. Febr. 1909, 6. März 1909, 22. Dez. 1909, 12. Nov. 1909, 14. Mai 1910, 5. Sept. 1910, 10. Nov. 1910, 15. Nov. 1910, 22. Nov. 1914, 2. Dez. 1914, 8. Dez. 1914, 4. Aug. 1915, 22. Okt. 1921 (Todesanzeige); Wiesbadener Bade-Blatt 3. März 1909, 14. Nov. 1913, 9. Febr. 1914, 14. März 1914; Wiesbadener Neueste Nachrichten 30. Aug. 1915; ZfM 10 (Okt.) 1924, S. 601 (Bottermund betr.) <> Jahresberichte des Hoch’schen Konservatoriums (Bottermund betr.) <> Frank/Altmann 1936 (falsches Sterbedatum, generell in der Literatur übernommen) <> Robert Meyer, A Short Abstract of a Long Life: To my Friends in the United States of America, in: Journal of the History of Medicine and Allied Sciences, Bd. 2 (1947), S. 419–450, Bd. 3 (1948), S. 125–160, 315–354

Literatur — Finn Benestad/Hella Brock, Edvard Grieg. Briefwechsel mit dem Musikverlag C. F. Peters 1863–1907, Frankfurt/M. 1997 <> Lionel Carley, Edvard Grieg in England, Woodbridge 2006 <> Edvard Grieg, thematisch-bibliographisches Werkverzeichnis vorgelegt von Dan Fog, Kirsti Grinde, Øyvind Norheim, Frankfurt/M. 2008

Abbildung 1: Max Abraham, das Ehepaar Grieg und Oscar Meyer (hinten rechts), Fotographie [Menton, 1893]; N-Bo (digital)


Martin Bierwisch | Kristina Krämer

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