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KOCH, PAUL * Leipzig 19. Jan. 1906 | † Russland Jan. 1945; (Noten-)Schriftgestalter, Stempelschneider und Drucker

Paul Koch, Sohn des Schriftkünstlers Rudolf Koch (1876–1934), absolvierte eine Ausbildung in Satz und Druck an den Technischen Lehranstalten in Offenbach und schloss eine Lehre als Drucker an. Es folgte eine einjährige Ausbildung zum Stempelschneider in der Offenbacher Schriftgießerei Gebr. Klingspor. 1926–1931 war Koch Mitarbeiter Victor Hammers in Florenz, in dessen Stamperia del Santuccio er u. a. einen Druck von Mozarts Minuetto KV 15qq herausgab. Hier lernte er den Drucker Fritz Arnold kennen, mit dem er 1933, nachdem er wohl noch eine „längere Zeit in England“ gelebt hatte (Lübbecke S. 22), eine kleine Druckwerkstatt im sog. Rittersaal des Hauses Fürsteneck in der Frankfurter Altstadt (Fahrgasse 17) eröffnete mit dem Ziel, der industriellen Musikalien-Produktion einen neuartigen Notendruck mit künstlerischem Anspruch und Aussehen entgegenzusetzen. Charakteristisch für seine seit 1923 verwendeten Notenschriften sind viereckige Notenköpfe, auf die Buchstaben „G“ bzw. „F“ typographisch wieder angenäherte Violin- und Bassschlüssel (s. Abb. 1) sowie der Druck in Schwarz auf roten Notenlinien; für die Textunterlegung wurden gotisierende Schrifttypen, etwa die von Koch nach geschriebenen Vorlagen seines Vaters geschnittene Claudius-Schrift, verwendet. Ausgaben dieser Art, überwiegend Gesang- und Liederbücher, erschienen in den 1930er und 1940er Jahren in den Verlagen Bärenreiter (Kassel; s. Abb. 2), Christophorus (Freiburg i. Br.) und Kallmeyer (Wolfenbüttel), aber auch bei Insel (Leipzig), Schott (Mainz) und Wunderlich (Tübingen). Darüber hinaus gab die Werkstatt Haus zum Fürsteneck eine Reihe bibliophiler Handpressendrucke kleiner Kompositionen (z. B. Feiger Gedanken von Johannes →Brahms anlässlich von dessen 100. Geburtstag 1933) heraus. Kochs Arbeitsgemeinschaft, der neben Fritz Arnold u. a. auch seine Schwester Ursula – sie fertigte Paramente auf einem Handwebstuhl –, die Setzer Herbert Schaeper und Otto S. Fabricius sowie der Graphiker Heinrich Pauser angehörten, pflegte ein gastfreundliches Miteinander; regelmäßig fanden in den Räumlichkeiten Lesungen und Konzerte statt, bei denen u. a. Helmut →Walcha, später Ehemann von Ursula Koch, auf dem Cembalo musizierte. 1938 suchte Hermann →Zapf Kontakt zu Paul Koch und wurde dessen Schüler und freier Mitarbeiter. Im März 1944 ging das Haus Fürsteneck mit der Druckwerkstatt im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unter; Paul Koch starb in russischer Kriegsgefangenschaft.

SchriftenNeugestaltung des Notenbildes in Handschrift und Druck, in: Imprimatur IV, 1933, S. 174–176 <> Notenschreibbüchlein, Wolfenbüttel: Kallmeyer 1939 – 2. Auflage hrsg. von Hermann Zapf, ebd.: Möseler 1953 <> Die Musiknoten im Buchdruck, in: Klimschs Jahrbuch des graphischen Gewerbes, Frankfurt/M. 1940, S. 61–66 (mit Beispiel-Tafeln)

Literatur — Otto Reicher, Die Schrift und Druckwerkstatt im Haus Fürsteneck, Frankfurt am Main, = Typographische Monatsblätter VIII, 1934, Sonderheft <> Helene de Bary, Notenschrift – Notendruck. Geschichtlicher Abriß ihres Werdens und Wesens, in: Gutenberg-Jahrbuch 1940, S. 85–92 <> Fried Lübbecke, Fünfhundert Jahre Buch und Druck in Frankfurt am Main, Frankfurt/M. 1948, S. 19–24 <> Georg Kurt Schauer, Deutsche Buchkunst 1890 bis 1960, Bd. 1, Hamburg 1963 <> Will Carter, It all stated in Frankfurt in 1938, in: ABC-XYZapf. Fünfzig Jahre Alphabet Design. Gesammelte Beiträge über Fachliches und Persönliches für Hermann Zapf, hrsg. von John Dreyfus und Knud Erichson, Offenbach/London 1989, S. 113–115 <> Otto S. Fabricius, Die Werkstatt ‚Haus zum Fürsteneck‘ in Frankfurt, in: dass., S. 30–33 <> Gerald Cinamon, Rudolf Koch. Letterer, Type Designer, Teacher, New Castle/Del. 2000 <> Günther Massenkeil, Die Lieder, die wir sangen – ein Glaubensbekenntnis junger Christen im „Dritten Reich“, in: Musik als Kunst, Wissenschaft, Lehre. Festschrift für Wilhelm Schepping zum 75. Geburtstag, hrsg. von Günther Noll, Gisela Probst-Effah, Reinhard Schneider, Münster 2006, S. 296–310, bes. S. 305 <> Jerry Cinamon, Paul Koch. Master Printer of Music, in: The Private Library, Serie 6, Jg. 2, Heft 3 (Herbst 2009), S. 132–148 <> Jerry Cinamon, Paul Koch and Fritz Arnold, in: The Private Library, Serie 6, Jg. 2, Heft 4 (Winter 2009), S. 170–185 <> Nikolaus Julius Weichselbaumer, Der Typograph Hermann Zapf. Eine Werkbiographie, Berlin/Boston 2015

Abbildung 1: aus: Johann Walther, Ein neues christliches Lied, Notenbeilage zu Kochs Die Musiknoten im Buchdruck (Ausschnitt)

Abbildung 2: aus: Du bist mein – ich bin dein. Die schönsten deutschen Lieder der Liebe, Kassel: Bärenreiter [1938] (BA 1252), Textunterlegung aus der Claudius-Schrift, Holzschnitt von Josua Leander Gampp; D-Kbv, mit freundlicher Genehmigung des Bärenreiter-Verlags, Kassel


Gudula Schütz

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